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Kurz vor Mittag in der Nähe von Dien Bien Pho im nordwesten Vietnams.
Wir sind vollkommen übermüdet und hängen in den Seilen – Tagwache um 4:00Uhr, bei Sonnenaufgang sind wir knapp an der Grenze zu Laos. Ich bin erschöpft, nicht nur wegen des Schlafmangels. Seit knapp einer Woche sind wir als kleine Gruppe von Fotografen unterwegs, meist Abseits der Touristenpfade, nehmen Teil am Abenteuer Vietnam.
Der Sonnenaufgang in den Bergen ist der Hammer, das anschliessende Frühstück mit einer ganz wundervollen Pho Ga ebenso…und jetzt spazieren Katrina und ich in der Vormittagshitze durch ein kleines Bergdorf. Der Tourbus wird uns erst in etwas mehr als 2 Stunden am vereinbarten Ort abholen – wir sind auf uns alleine gestellt.
Macht was ihr wollt – geht in die Ortschaft und lernt Leute kennen oder wartet hier, bis wir euch wieder abholen – eure Entscheidung!
Stimmt, und so laufen wir drauf los, in der Hoffnung, alles wird gut gehen.
Und das tut es auch – abgesehen von der Hitze, die uns jetzt zu schaffen macht.
Wir suchen uns einen gemütlichen Platz im Schatten eines grossen Baumes, um kurz Pause zu machen und uns zu sammeln; und ehe wir uns versehen, sind wir bereits die Attraktion bei den Kindern, die langsam aus den Häusern zu uns kommen.
Nicht ganz unvorbereitet packen wir aus unseren Fotorucksäcken einige Naschereien aus, um sie zu verteilen. Ausserdem haben wir kleine Styroporflugzeuge mit dabei, die wir gemeinsam zusammenbauen und dann fliegen lassen. Die Kinder lachen und haben Spass, wir sind glücklich, Freude bereiten zu können. Bevor wir weitergehen kommt eine junge Frau zu uns, spricht uns auf vietnamesisch an und nimmt Katrina bei der Hand – ich folge den beiden langsam zu einer Hütte, wir gehen hinein. Wir werden gebeten, Platz zu nehmen, wenig später bekommen wir Tee serviert. Der Vater eines der Kinder von vorhin ist ebenfalls da, gemeinsam trinken wir Tee und versuchen mit Händen und Füssen, uns zu unterhalten. Wir dürfen Fotos machen und drucken sie auch gleich mit einem kleinen Akkudrucker aus, um ein Geschenk zu hinterlassen – alle sind begeistert. Als wir gehen wollen, kommt ein ältere Frau zu uns und bittet uns, noch zu bleiben – wir sind zum essen eingeladen. Schnaps wird serviert und wir bekommen eine herrliche Suppe und gebratenes Huhn. Ein Festessen für uns Fremde und ebenso für die Familie.
In ärmlichen Verhältnissen leben die Menschen hier in diesem Dorf, und sie lassen es sich nicht nehmen, das schönste Gewand für uns anzuziehen und uns ein Mittagessen zu bereiten.
Berührt von der Grosszügigkeit verabschieden wir uns und kommen zu spät an den vereinbarten Ort zurück – der Bus wartet schon, etwas benommen vom Schnaps und reichlich angegessen nehmen wir wieder Platz.
Und erst jetzt sprudeln die Worte nur so aus uns heraus – wir sind übervoll mit Gefühlen;
2 Fremde kommen in den Ort, in den sich vermutlich kaum ein Ausländer verirrt. Beginnen mit den Kindern zu reden und spielen, verteilen Süssigkeiten. Und anstatt skeptischen Blicken ausgesetzt zu werden, bemüht sich ein Familie, uns mit einem festlichen Essen zu überraschen.
Ob das hier, in Mitteleuropa, auch möglich ist ?
Wie viel vertrauen würden wir Fremden gegenüber haben, die unsere Kinder fotografieren ?
Würden wir sie ebenfalls in unser Haus einladen, um mit Ihnen zu feiern ?

Ein Ereignis von vielen, die wir hier täglich erleben dürfen.
Uebervoll mit Gefühlen und Geschichten ist mein Herz, wenn ich zurückdenke an die Zeit in Vietnam. Vieles hat die Reise verändert, meine Einstellung zum Leben, zur Grosszügigkeit, zum Vertrauen in die Welt. Nicht alles darf man glauben, was man in den Medien liest oder sieht – sich selbst ein Urteil bilden und mit offenen Augen und Herzen durch die Welt gehen. Die Komfortzone verlassen und das Leben leben. Positiv denken und dankbar sein für das, was wir haben.
Sauberes Wasser aus jedem Wasserhahn, genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, Bildung für unsere Kinder, ärztliche Versorgung und Frieden ist in vielen Teilen der Welt keine Selbstverständlichkeit…

 

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